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Erstellt am 24.02.2022

Sanktionen gegen Russland treffen Österreich EU-weit am härtesten

von Reinhard Göweil

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bringt nicht nur Tod und Leid und ist eine Gefährdung der europäischen Sicherheit, sondern auch wirtschaftlich ein Desaster. Energie, Finanzen und Technologie, das sind die Branchen, auf die sich vieles konzentriert. Exemplarisch erwischt hat es die Raiffeisen Bank International (RBI). Deren Aktienkurs rasselt seit Tagen nach unten, zuletzt notierte sie unter 15 Euro, der Kurs hat sich damit seit seinem 52-Wochen-Hoch halbiert.

Denn die Wiener Bank erwirtschaftet etwa die Hälfte ihres Gewinns, insgesamt 600 Millionen Euro, in Russland und der Ukraine. Das Zauberwort nun lautet SWIFT. Das gleichnamige Zahlungsverkehrs-Unternehmen nahe Brüssel wickelt finanziell einen schönen Teil des grenzüberschreitenden Weltfinanzsystems ab, und zwar über den sogenannten BIC. Der Code findet sich auf jeder Bankomatkarte. Da für Russland der Stecker gezogen wird, sind alle russischen Banken und Unternehmen mit einem Schlag nicht mehr in der Lage, ihre Euro- und Dollar-Geschäfte zu tätigen. Das ist vor allem im internationalen Gas- und Ölgeschäft fatal. Auch der russische Gaslieferant Gazprom würde sich nicht in Rubel bezahlen lassen, abgesehen davon, dass diese Menge an Rubel gar nicht vorhanden wäre. Denn die russische Währung hat im selben Ausmaß Wert verloren als die Eskalation durch den Kreml stieg. Da nun auch die russische Zentralbank vom Embargo betroffen ist, und damit auf einen Großteil der Devisenreserven nicht zugreifen kann, befindet sich der Rubel im freien Fall.

Die russische Börse stürzte ebenso stark ab, vor allem ausländische Investoren zogen Milliarden aus Russland ab, sie ist bedeutungslos geworden.

Der Gaspreis dagegen machte einen weiteren Sprung um mehr als zwanzig Prozent und auch Ölpreis überschritt ohne Probleme die 100-Dollar-Marke je Barrel (159 Liter).

Solange die Pipelines und Tanker aus Russland ihre fossilen Energie-Rohstoffe transportieren, würde Russland sonst reicher durch den Konflikt. Aber wenn die Rechnungen nun wegen Sanktionen nicht mehr bezahlt werden können, dann verliert der russische Staat seine Haupteinnahmequelle.

Das Ringen um den Erdgasmarkt

Dann könnte sich der Kreml auf seine üppigen Devisenreserven stützen, die 640 Milliarden Dollar ausmachen, wie der Internationale Währungsfonds errechnete. Aber dieses Geld liegt offenbar zu mehr als 60 Prozent in westlichen Ländern. Und sind damit unerreichbar geworden.

Zwar droht Russland, die Gaspreise zu verdoppeln. Aber auch das wird vertraglich nicht so einfach sein. Österreich etwa hat den Vertrag mit Gazprom erst vor drei Jahren bis 2040 verlängert. Zwar sind preisliche und mengenmäßige Gestaltung unbekannt, aber eine kurzfristige Verdoppelung der Preise kommt in solchen Verträgen eher nicht vor. Und es ist ebenso wahrscheinlich, dass es Pönale-Bestimmungen gibt, wenn einseitig Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen nicht eingehalten werden.

Österreich verbraucht jährlich zirka 8,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Ein Teil davon wird nicht als Brennstoff, sondern als Rohstoff in der Chemieindustrie eingesetzt. Die OMV etwa produziert über Borealis in Linz Melamin-Harze und Düngemittel. Beide verbrauchen etwa zehn Prozent dieser Gesamt-Menge, das ist enorm. Sollte es also hier zu Versorgungsengpässen kommen, weil die Erdgasversorgung privater Haushalte Vorrang erhält, würde es hier zu Produktionskürzungen kommen. Steigende Erdgas-Preise würden zudem die Düngemittel-Produktion unrentabel machen.

Um die heimische Landwirtschaft mit Stickstoffdünger zu versorgen, müsste also mehr importiert werden, was dem grundsätzlichen Prinzip der Selbstversorgung widerspricht.

Das Beispiel zeigt, wie tief die Sanktionen gegen Russland in die heimische Wirtschaft eingreifen. Es wird an der Regierung liegen, hier ein industriepolitisches Konzept vorzulegen, ein börsenotiertes Unternehmen wie die OMV wäre damit überfordert. Bundeskanzler Karl Nehammer sagte bereits, dass die Gasversorgung aus Russland weitgehend ersetzt werden wird. Das wird zwar auch teurer, aber sicherer.

Großer Kollateralschaden bei Raiffeisen-Landesbanken

In der Finanzbranche steht – wie erwähnt – Raiffeisen im Feuer. Mehr als 20 Milliarden Euro Kredite hat die RBI überwiegend in Russland, aber auch der Ukraine vergeben. Ausfälle wegen kriegerischer Auseinandersetzungen werden zu empfindlichen Wertberichtigungen führen. Die Investoren sind nervös, die RBI-Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten die Hälfte ihres Wertes verloren. Für die Raiffeisen Landesbanken, die mit insgesamt 59 Prozent Hauptaktionäre der RBI sind, keine guten Nachrichten. Der bisher beträchtliche Wert der RBI ist auch in deren Bilanzen ein wesentlicher Vermögenswert. Jede Abwertung, die nun wohl unvermeidbar ist, führt auch dort zu tiefen Sorgenfalten. Und wohl auch bei der Finanzmarktaufsicht. So ist bereits die Rede von einem „Schutzschirm“, was aber rechtlich und beihilfentechnisch gar nicht so einfach ist.

SWIFT, Ungarn, Rumänien…

Da Russland vom Zahlungsverkehrs-System SWIFT ausgeschlossen ist, entsteht für den Raiffeisen-Sektor ein eminentes Problem. Für die von Österreich heraus in Russland operierenden Industrie-Unternehmen ebenfalls. Im Papier-, Holz- und Maschinenbau-Bereich gibt es viele heimische Unternehmen, die in Russland produzieren. Sanktionen werden diese Warenströme stören, wenn nicht zum Erliegen bringen. Die Geldhäuser, über die Finanztransaktionen laufen sind auch hier die RBI und die Bank Austria. Letztere ist wenig direkt betroffen, da die russischen Geschäfte über die italienische Mutter Unicredit laufen.

Das auf Osteuropa spezialisierte Wirtschaftsforschungsinstitut wiiw in Wien hat in einer ersten Einschätzung aber auch weitere Problemfelder definiert: Von den osteuropäischen Ländern (und deren Landeswährungen) seien von harten Russland-Sanktionen vor allem Ungarn und Rumänien betroffen. In diesen Ländern ist nicht nur Raiffeisen, sondern auch die Erste Bank tätig, aber auch Finanzkonzerne wie die steirische Grawe. Österreichische Finanzinstitute sind auch im Versicherungs- und Leasingbereich stark in diesen Ländern engagiert. Deutliche Abwertungen der Landeswährungen verursacht sichtbare Bremsspuren in der Euro-Bilanz dieser Unternehmen. Die Aktie der Erste Group zeigt auch stark nach Süden.

Österreich wird EU-Hilfe gut gebrauchen können

Russland war zuletzt einer der größten Investoren in Österreich, das ist nun wohl zu Ende. Und russische Gäste sind – abseits von Corona – im heimischen Tourismus ein kaufkräftiger Faktor.

Summasummarum ist zu konstatieren, dass – im Vergleich zur Wirtschaftskraft der jeweiligen Volkswirtschaften – Österreich von harten Sanktionen gegen Russland am stärksten von allen EU-Ländern getroffen wird. Ob MAN in Steyr etwa mit ihrem neuen Eigentümer Siegfried Wolf das langfristige Konzept mit dem russischen Lkw-Erzeuger umsetzen kann, ist alles andere als sicher. Wolf hat als Aufsichtsratschef der in Wien beheimateten russischen Sberbank Europe AG mit der temporären Schließung der Bank durch die Aufsicht zu kämpfen.

Und ob und wie der Unternehmer (früher: Oligarch) Oleg Deripaska seine Beteiligung etwa am Baukonzern Strabag verwaltet, steht auch am Prüfstand. Deripaska gilt als Vertrauter Putins, und je näher an Putin, desto härter die Sanktionen.

Krisenstab in Wien ohne Finanzminister…

Um all diese Bedrohungen abzufedern, benötigt die Republik Österreich ein industrie- und finanzpolitisches Krisen-Konzept, das es nicht in Ansätzen gibt. Es wird nämlich Geld kosten und nicht wenig Geld. Dass der Finanzminister und der Notenbank-Gouverneur nicht im Regierungs-Krisenstab in Wien sitzen, zeugt von einer gewissen Ahnungslosigkeit der Auswirkungen.

Denn die Wachstumsraten und budgetpolitischen Ziele Österreichs sind angesichts dieser Eskalation wohl kaum noch aufrecht zu erhalten. Die Invasion der Ukraine ist für Österreich desaströs, und geht weit über die steigende Inflation wegen noch höherer Energiepreise hinaus.  

Die EU-Kommission hat angekündigt, besonders betroffene Länder finanziell zu unterstützen. Österreich ist – im Vergleich zur Wirtschaftsleistung – das am härtesten getroffene EU-Land, und wird dies gerne hören.

In der Zwischenzeit werden in der Ukraine Menschen sterben. Russische Soldaten, ukrainische Soldaten und zivile Bürger.

Und warum? Weil der russische Präsident nicht bereit ist, völkerrechtliche und internationale Verträge einzuhalten, und der Ukraine ihren Status als souveränes Land schlicht abspricht. Nun: Zu Österreich gehörte in der Monarchie für gar nicht so kurze Zeit ebenfalls ein erklecklicher Teil der Ukraine. Daraus Gebietsansprüche abzuleiten ist absurd. Russlands Präsident tut genau das.

 

aktualisiert am 28. Februar 2022, 12 Uhr.