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Erstellt am 21.05.2019

„Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“

von Reinhard Göweil

1862 sprach der deutsch-dänische Lyriker Friedrich Hebbel in Wien sein berühmtes Zitat im Titel dieser fiktionalen Analyse, das fälschlicherweise manchmal Franz Grillparzer oder Josef Weinheber zugesprochen wurde, weil es eben so österreichisch klingt, und nicht norddeutsch.

Für alle Verschwörungstheoretiker ist das Zustandekommen dieses Strache-Videos hochinteressant, nicht zu Unrecht. Es darf die Tatsache nicht überdecken, was Strache und Gudenus dort gesagt und vorher gedacht haben, und dass dies nicht eben nicht die „Peinlichkeit“ von zwei Persönlichkeiten ist, sondern ein gesellschaftliches Bild, das dahinter steckt. Und dieses Bild lautet: Die alten Eliten sind korrupt, und um sie zu überwinden müssen wir das aufdecken und die Finanzströme zu uns umlenken. Das ist vermutlich noch ekelhafter.

Dies aufzuzeigen ist also legitim und bei Strache und Gudenus voll gelungen. Aber während sich Österreich überlegt, ob das noch eine Regierungskrise oder schon eine Staatskrise ist, hier eine These:

Um Österreich ging es nicht bei dem Video. Einiges ist schon gesagt worden: die Legende der Oligarchen-Nichte (der keine Nichte hat), die Miete der Finca auf Ibizia (570 Euro pro Tag) und deren vollständige Verkabelung, um die Aufnahmen zu ermöglichen – all dies weist auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten hin.

Für die Geheimdienste eines Landes ist dies „risky business“, denn am Ende stehen – wenigstens in Demokratien – parlamentarische Kontrollore.

Allerdings gibt es auch gut ausgestattete, private Nachrichtendienste, die Jobs für Staaten, Konzerne, vermögende Einzelpersonen erledigen, und die keinerlei Kontrolle unterliegen. Sie bekommen Geld und erledigen opaque Aufträge.

Und dieser Auftrag schaut – auch angesichts des gewählten Veröffentlichungstermins aus, als ob es gegen die Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Europa gehen sollte. Um es salopp auszudrücken: Was Strache und Gudenus widerfuhr, ist praktisch die Antipode russischer Geheimdienstoperationen.

Also könnte es europäische Interessen geben, die eine solche Aktion gestartet haben. Möglicherweise wurden auch die Le Pens, Salvinis, Orbans, und AfDler derart „bearbeitet“. Denn allen rechten Anti-EU-Parteien ist eines gemein: Ihre Unterstützung durch Russland. Die Spendenaffäre rund um die AfD-Politikerin Weidel könnte auch mittels solcher Geheimdienst-Aktionen bekannt geworden sein. Warum ist Polen nicht dabei? Weil die dortige PiS-Partei, die demokratische Institutionen unterhöhlt, strikt anti-russisch ist.

Endgültig erwischt hat es schließlich die Dümmsten.

Die mediale Aufregung über das Video in allen EU-Ländern ist beträchtlich, und hat dieser „Nationalisten-Internationale“, die sich anschickte bei der EU-Wahlen am Sonntag deutlich zu reüssieren, Schaden zugefügt. Allein die Distanzierung der dortige Rechts-Politiker von ihrem bisherigen „role model“ H. C. Strache, der es ja zum Vizekanzler brachte, beschädigt deren Glaubwürdigkeit. Und die Debatte, wie potenziell korrupt diese Politiker sind, wird ebenfalls diskutiert. Das Projekt, Rechtspopulisten in die Regierung zu holen, sei gescheitert.

Womit die Frage, wem schadet es, beantwortet wäre. Allerdings unter der Voraussetzung, dass das Video und deren Urheber das Vehikel waren. Gegen die Wand gefahren haben es Strache und Gudenus, die wohl in ihren Partner-Parteien mittlerweile auch wenig Freunde haben.

Wird sich herausstellen, wer das Video drehte?

Sollte die geheimdienstliche Variante stimmen, lautet die Antwort: Eher nein.

Manche Politiker werden sich in mehr oder minder plausiblen Vermutungen ergehen. Und sich fürchten, dass von ihnen vielleicht ähnliche Aufnahmen in USB-Sticks herumgereicht werden könnten…