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Erstellt am 05.03.2019

ÖGB und Bawag – Der zerbrochne Krug

 

Von Reinhard Göweil

Bild: Armberger

Die nach 13,5 Jahren eingebrachte Anklage gegen ehemalige Manager der Bawag in Zusammenhang mit dubiosen Transaktionen mit dem US-Wertpapierhändler Refco atmet Wirtschaftsgeschichte. Wenigstens für immerhin 3,46 Millionen Einwohner in Österreich, die jünger als 35 sind.

Die Bawag gehört seit 2006 dem US-Fonds Cerberus, das Management hat seither mehrfach gewechselt und die Bank hat sich seither für die langjährige Kundschaft (älter als 35) irritierend verändert. Die Trennung von der Post sorgt aktuell für zusätzlichen Kunden-Ärger.

Aber da gibt es noch immer die strafrechtlichen Altlasten der seinerzeitigen Geschäfte.Der im Oktober 2005 vergebene und binnen Tagen verlorene Kredit in Höhe von 392 Millionen Euro an Refco gehört dazu. Die Staatsanwaltschaft hat deswegen vor wenigen Tagen Anklage gegen frühere Bawag-Manager erhoben. Die Länge der Verfahrensdauer und die Anklageschrift, die den „finanznachrichten“ vorliegt, eröffnet zumindest die Möglichkeit eines Behördenversagens.

Die an Verspätungen der Deutschen Bahn erinnernde Anklage wegen Refco rührt allerdings weit tiefer, es offenbart auch ein langjähriges Versagen des privaten Vereins „Österreichischer Gewerkschaftsbund“ (ÖGB) an seine aktuell 1,21 Millionen Mitglieder. Solidarität? Gleichheit? Gerechtigkeit?

Nun, der ÖGB versenkte 2006 seine Bank, weil er als Eigentümer nicht nur keine Ahnung hatte, was in seiner Bank eigentlich passierte, sondern weil er jahrzehntelang über seine Verhältnisse lebte. Das wurde großzügig von der Dividende der seit 1947 existierenden Bawag kaschiert, was dazu führte, dass der Schwanz (Arbeiterbank/Bawag) ebenso lange mit dem Hund (Eigentümer ÖGB) wedelte.

Bawag zahlte jahrelang überhöhte Dividende an den ÖGB

Um den Geldstrom aufrechtzuerhalten begann schon 1988 der damalige Generaldirektor Walter Flöttl seinem in den USA als Investmentbanker arbeitenden Sohn Wolfgang Flöttl, Gelder der Bank zur Veranlagung zu übergeben. Ganz so wie in einer Privatbank, die sich im Besitz einer Familie befindet. Denn im österreichischen Filialgeschäft war das benötigte Kapital schlicht nicht zu verdienen. Anfangs klappte das gut, die veranlagten Beträge wurden immer höher und höher, bis die Aufsicht dahinterkam und dem Spuk ein Ende bereitete. Das war 1993, und damals holte die Bawag etwa ein Fünftel ihres Jahresgewinns aus diesen Risiko-Geschäften des Sohnes – und bezahlte damit die Dividende für den ÖGB.

Der ohne Bawag heillos überforderte Gewerkschaftsbund genoss und schwieg.

Der Nachfolger des mittlerweile verstorbenen Walter Flöttl, Helmut Elsner, erkannte bald, dass er ohne die Zockergewinne von Wolfgang Flöttl der Dumme wäre. Die Bank hätte mit niedrigeren Gewinnen durchaus leben können, aber Eigentümer ÖGB nicht mit niedrigeren Dividenden. Und die ÖGB-Funktionäre im Aufsichtsrat unterschrieben halt Vorstandsverträge…

Also begann Elsner die Spekulationsgeschäfte mit Wolfgang Flöttl 1995 wieder. Erneut mit blickdichten Firmen-Vehikeln, die sich „Austost“ oder „Ingebe“ nannten und über die Bawag-Tochter in Dublin geführt wurden. Man war ja schließlich nach außen eine biedere Gewerkschaftsbank, die für Kunden hohe Spar- und niedrige Kreditzinsen anbot.

Der zerbrochne Krug

Dass die fehlende Zins-Marge in der Bilanz durch recht wagemutige Waren- und Währungs-Spekulationsgeschäfte mit Spezialfirmen in Steueroasen aufgefettet wurde, sollte niemand wissen. Und es hätte auch nicht ins Bild des ÖGB gepasst, der genau das anprangert und seinen 1,21 Millionen Mitgliedern Gerechtigkeit und Solidarität empfiehlt.

1998 kam es wie in Heinrich Kleists „zerbrochnen Krug“, im dem Dorfrichter Adam die eigenen Vergehen zum Verhängnis werden. Wolfgang Flöttl verliert bei einer Dollar/Yen-Spekulation angeblich das gesamte im von der Bawag anvertraute Geld, 1,4 Milliarden Euro. Hier kommt erstmals Refco ins Spiel. Der Börsemakler, der viele Geschäfte für Flöttl buchte, die eher Wetten waren, hieß Refco.

Dessen Chef und Eigentümer, Phillip Bennett, könnte – hier verliert sich eine Spur des Geldes – Wolfgang Flöttl mit einem dreistelligen Millionen-Dollar-Darlehen ausgeholfen haben. Im Buch „Not my Grandfathers Wall Street“ des Wertpapierhändlers David von Leib sitzt im Kapitel 52 im Oktober 1998 ein fiktionaler Wolfgang am Strand in Tuckers Town auf den Bermudas, sinniert darüber, wie man so falsch beim Yen liegen konnte und ruft seinen Vater (ein Bankdirektor) in Wien an und bittet um Hilfe. Er braucht einen Kredit vom Broker in Höhe von 400 Millionen Dollar, um die Verluste abzubauen. Der Papa soll das richten.

Elsner belastet Flöttl

2005 schließlich fliegt bei Refco auf, dass mit Hilfe der Bawag über sogenannte Ultimo-Geschäfte eine 400-Millionen-Forderung jahrelang aus der Bilanz ferngehalten worden war. Refco war gerade an die Börse gegangen, der Skandal wurde publik. Refco ging pleite, Bennett ins Gefängnis, die kreditgebende Bawag verlor noch einmal 392 Millionen Euro.

Mittlerweile sind via „Panama Papers“ damals Wolfgang Flöttl zuzurechnende Firmenvehikel in der Steueroase Aruba aufgetaucht. Er selbst bezeichnete sich beim Bawag-Prozess als mittellos.

Der frühere Generaldirektor Elsner, mittlerweile 84 Jahre alt, saß bis 2011 viereinhalb Jahre Haft ab. Er mutmaßte immer, dass Flöttl das Geld nicht wirklich zur Gänze verloren hatte. Sein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafprozesses wurde 2018 abgelehnt. Beim Delikt der Untreue interessiert es die Justiz nicht, ob das Geld noch aufzuspüren wäre. Elsner selbst behauptete in Medien, dass Flöttl etwa eine Milliarde Dollar „umgeleitet“ hätte, geklagt wurde er von Wolfgang Flöttl für diese unbewiesene Behauptung nie. Und dass Flöttl damals nicht nur ein Naheverhältnis zu Refco, sondern auch zum späteren Bawag-Käufer Cerberus hatte, blieb ebenfalls unwidersprochen.

Es ist interessant, dass sich weder die Bank noch der geschädigte ÖGB sich für den Verbleib des Geldes interessieren. In den USA wurde rund um Bawag/Refco 2006 ein Gerichtsvergleich geschlossen, der die Bawag zwar rund 1,5 Milliarden Dollar kostete, aber auch mit Rechtsmittelverzicht einher ging.

ÖGB tut nichts, um Verbleib des Geldes zu prüfen

In Österreich ist kein Verfahren des ÖGB anhängig, um mit forensischen Methoden den Weg des Bawag-Geldes nachzuzeichnen. Mit anderen Worten: Den ÖGB interessiert es nicht mehr, was mit dem Geld der damals eigenen Bank wirklich passiert ist. Denn es ging zwar der Computer Flöttls kaputt, in dem die gesamte Dokumentation dazu gespeichert war, aber die Überweisung von Geld hinterlässt immer Spuren.

Die gewerkschaftliche Solidarität kam Wolfgang Flöttl zugute, egal was er gemacht oder nicht gemacht hat. Es darf allerdings angenommen werden, dass er nicht zu den 1,21 Millionen ÖGB-Mitgliedern zählt.