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Erstellt am 11.08.2020

Eine pannonische Genossenschaft

von Reinhard Göweil

Ein erhebliches Problem kommt auf die Eigentümer-Genossenschaft der Commerzialbank Mattersburg zu, vor allem auf die mehr als 3000 Genossenschafter. Sie sind Kunden der Bank und erwarben damit Genossenschaftsanteile. Das sind echte Anteile wie Aktien, nur nicht handelbar. Üblicherweise haften die Genossenschafter nicht nur mit ihrer Einlage, sondern im Ernstfall mit dem Doppelten. Manche Genossenschaften verlangen sogar das Dreifache.

1998 reduzierte die Commerzialbank-Genossenschaft per Beschluss die Haftung auf das 1-fache der jeweiligen Anteile. Diese Genossenschaft hielt bis zur Pleite 79 Prozent des gezeichneten Kapitals. Bei einem gezeichneten Kapital von 5,9 Millionen Euro sind dies etwa 4,8 Millionen Euro. Bei geschätzten 3000 Genossenschaftern, wohl vor allem im Bezirk Eisenstadt-Umgebung rund um Mattersburg, entfallen auf jeden Genossenschafter durchschnittlich 16.000 Euro. Keine Kleinigkeit.

Für Genossenschaftsverbände ist die Commerzialbank-Sache nicht ungefährlich

Da es sich dabei um Kernkapital der Bank handelt ist dies mit dem Konkurs wertlos geworden.  Zum möglichen Verlust als Kunde der Bank (wenn die Einlage 100.000 Euro überstieg) kommt der Verlust des gezeichneten Genossenschaftskapitals dazu. Dass Martin Pucher und neun weitere Aufsichtsräte die restlichen 21 Prozent des Aktienkapitals der Bank verlieren werden, wird für diese vielen Anteilseigner nur ein geringer Trost sein. Mangels Masse wird von diesem Kapital nichts zurückkommen.

Nicht auszuschließen ist – so Insider –  dass ein Teil der Genossenschafter ihre Anteile via Kredit bei der Bank finanzierten. Das dürfte nach den neuen Regulierungs-Bestimmungen gar nicht dem Eigenkapital zugerechnet werden. Was im Pleitefall wie hier auch schon egal ist, aber rechtliche Implikationen haben könnte. Der Masseverwalter müsste in jedem Fall dieses Geld einfordern. Die Genossenschafter, meist wohl biedere Bürger, die wenig Ahnung vom finanziellen Risiko hatten, müssten dann den Kredit zu einer anderen Bank umschulden. Das wäre in diesem Fall wohl nur durch üppige Sicherheiten zu machen. Ein zusätzliches Problem nicht nur für die 3000 Genossenschafter, sondern auch für die burgenländische Politik. Sie muss diese Betroffenen beruhigen, was angesichts der Debatte um die Aufsichts-Qualität nicht einfach sein wird.

Das Land Burgenland war Aufsichtsorgan der Bank-Eigentümer, zu denen zählte eine Bank-Vorstandsdirekorin

Denn die Aufsichtsbehörde der Genossenschaft war die burgenländische Landesregierung. Und im Vorstand der Genossenschaft saßen nicht nur drei Aufsichtsräte der Bank, sondern auch jene Vorstandskollegin von Martin Pucher, die dem Vernehmen nach das ganze Luft-Rad der Bank gedreht hat. (Für alle gilt die Unschuldsvermutung.)

Dieses pannonische Gemengelage wird die doppelt gestraften Genossenschafter wohl eher nicht besänftigen. Die große Frage wird auch sein, wie der große Genossenschaftsverband Raiffeisen (zwei Millionen Mitglieder) und der Volksbanken-Verbund reagieren. Sie scheuen prinzipiell Situationen, in denen Genossenschafter das Geld ihrer Anteile verlieren, da dies auch deren Geschäftsmodell nicht unbedingt befördert. Es könnte Kunden von Raiffeisenbanken auch dort zur Frage veranlassen, welches Risiko in solchen Anteilen eigentlich steckt.

Der Genossenschaft droht auch die Insolvenz 

Abseits der kriminalistischen Aufarbeitung der Bankenpleite (Bilanzfälschung, Untreue) und des herauf dräuenden U-Ausschusses im burgenländischen Landtag könnte die Politik über die nun wohl bald ebenfalls insolvente Eigentümer-Genossenschaft unter Druck geraten. Denn noch ist unbekannt, ob und welche wirtschaftlichen Aktivitäten diese Genossenschaft setzte, die durch das abrupte Ende der Bank ebenfalls zur Disposition stehen würden.  Alleine die Abwertung der CBM-Beteiligung wird die Bilanzerstellung zur Herkules-Aufgabe machen. Egal, ob sie die TPA prüft oder ein anderes Unternehmen.

Wie es soweit kam? Zinsen vorn mehr als einem Prozent auf täglich fälliges Geld, wo gibt es das noch? Richtig, bis vor kurzem bei der Commerzialbank Mattersburg (CBM). Der Chef der Grawe-Bankengruppe, Christian Jauk, zu der seit 2005 die Bank Burgenland gehört, roch die Lunte. In seiner Funktion als Präsident des Fußballclubs Sturm Graz warnte er voriges Jahr den ÖFB, Geld bei der Commerzialbank zu veranlagen. Die Zinsen seien zu hoch, das sei für eine Bank nicht darstellbar. Er hat damit dem ÖFB etwa drei Millionen Euro gerettet. Viele andere hatten weniger Glück.

Können bloß zwei Personen so ein großes Rad drehen?

Vieles ist schon geschrieben und gesagt worden zum Zusammenbruch der Commerzialbank Mattersburg, die Gerüchte überlagern freilich die simplen, wichtigen Fragen. Zwar wird von „Beratern für eh alles“ ein Multiorganversagen der Aufsicht konstatiert; zwar bewerfen sich SPÖ und ÖVP gegenseitig mit Dreck; zwar werden immer abenteuerliche Schadensummen genannt: Aber die erste Frage ist, wie eine Bank über eine so langen Zeitpunkt ein derart aufwändiges Potemkin’sches Dorf aufrechterhalten konnte. Einlagen und Kredite in dreistelliger Millionenhöhe – schlicht erfunden und das jahrelang. Das Ganze soll von Bankchef Martin Pucher, der das auch einräumt, und einer Vorstandskollegin umgesetzt worden sein. „Ich habe keine Erklärung, wie das so überhaupt technisch möglich ist“, ist von einem Bankenaufsichts-Experten zu hören, der anonym bleiben möchte.

Bei einer Bilanzsumme von 795 Millionen Euro soll so mehr als die Hälfte auf Trug und Lug bauen. Treppenwitz der Geschichte: Die Bank zahlte auf Gewinne, die sie nie machte, Steuern.

Schadensumme könnte Bilanzsumme überschreiten

Und die Schadenssumme könnte die Bilanzsumme überschreiten, denn der Regierungskommissäre muss nun die Bilanzen – wenigstens fünf Jahre zurück – neu berechnen. Dadurch kumuliert die Schadenssumme.

In der Folge wird wohl im laufenden Konkursverfahren ein bescheidenes Vermögen übrig bleiben. Schlechte Nachrichten für die Gläubiger der Bank, vor allem für jene, die mehr als 100.000 Euro veranlagt hatten. Aus der Quote dürften sie wenig bis nix bekommen.

Unternehmen und Gemeinden wird finanzielles Wissen unterstellt

Noch größere Probleme droht nach Angaben von Bankern jenen Unternehmen, die teilweise Millionen bei der Pleite-Bank auf Sparkonten haben. „Unternehmen können weniger leicht Unkenntnis in Finanzdingen ins Treffen führen. Wenn die Commerzialbank Zinsen zahlte, die weit über den Markt-Konditionen lagen, müsste ihnen dieses Risiko bewust gewesen sein.“ Es wird sich also weisen, ob der Masseverwalter im Konkursvefahren diese Gläubiger-Forderungen einfach anerkennt. Das könnte auch Gemeinden betreffen, die Einnahmen teilweise bei der Commerzialbank auf Konten legten. Auch Körperschaften werden tiefere Kenntnisse in finanziellen Dingen unterstellt. Ihnen bliebe dann nur der Klags-Weg.

Spannend werden wohl die Klagen gegen die Republik Österreich (wegen Versagens der Aufsicht), gegen das Land Burgenland (Aufsichtsorgan des genossenschaftlichen Eigentümers der Bank) und dem Bilanzprüfer TPA. Dass auch die betroffenen Tochtergesellschaften des Landes Burgenland eine Amtshaftungsklage gegen die Republik vorbereiten, hat freilich nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Gründe. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sieht das Land wortgewaltig als Opfer. Anwälte sammeln Mandate von Kunden, die Geld verloren haben. Der Masseverwalter wird wohl auch die ein andere Klage einbringen.

Martin Pucher ist schwer krank, vielleicht nicht haftfähig?

Von einem ist dagegen relativ wenig zu hören bzw. steht er in der Öffentlichkeit nicht als jener alleinige Bösewicht da, wie es zu vermuten wäre: Der 64jährige Martin Pucher. Er sei schwer krank, ist zu hören. In U-Haft befindet er sich nicht. Nachdem Drohungen gegen ihn eingegangen sind, stehen er und seine Familie unter Polizeischutz.

Zuletzt im Fokus der Kritik standen indes die Aufsichtsbehörden. Dabei würde sich ein Blick auf frühere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Eisenstadt lohnen, die ein eher jähes Ende nahmen.

Wieder einmal: Eine Reform der Bankenaufsicht

Die Bankenaufsicht, aufgeteilt zwischen Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (FMA) wird zwar gerne als Sündenböck bei Banken-Problemen gesehen. Tatsächlich scheint aber das problem genau in dieser Schnittstelle zu liegen. Denn den Prüfern der Nationalbank ist es untersagt, mit Dritten Kontakt aufzunehmen. Das wäre hilfreich gewesen bei den Prüfungen in den Jahren 2015 und 2017. Denn die Bank erfand Forderungen gegen andere Bankinstitute, um die Bilanz darstellen zu können. Der zweite Punkt betrifft die geprüften Banken selbst. Die sind juristisch recht spitzfindig, was die Formulierungen in den Prüfberichten betrifft. Schwere Mängel werden daher oftmals eher diplomatisch umschrieben, weil die betroffenen Banken gerne mit Klagen drohten, sollten ihnen durch Klartext Schaden erwachsen. Wenn ein vernichtender Prüfbericht publik wird, kann dies durchaus bedrohlich werden, selbst wenn die Mängel behebbar sind. Nun soll die Aufsicht wieder einmal reformiert werden – nicht das erstemal.

Die Tatenlosigkeit der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ist bestürzend

Vollkommen im Dunkeln liegt noch die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft Eisenstadt. Dass gleich zwei Sachverhaltsdarstellungen zur Einstellung der Ermittlungen führten, ist in der Tat kaum zu verstehen. Denn die FMA ist keine Polizei. Sie kann auf Basis der OeNB-Berichte Bescheide erlassen und bei begründetem Verdacht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft im „Amtshilfe“ ansuchen.

Unklar bleibt dabei, warum die FMA die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft eher tatenlos hingenommen hat. Hier könnte eine Amtshaftungsklage gegen die Republik ansetzen – nicht nur bei der Aufsicht.

Nun ist beziehungsweise war Martin Pucher im Burgenland ein A-Promi. Die Vermutung, dass hier eher mit Glacee-Handschuhen gearbeitet wurde, ist nicht einfach wegzuwischen. In einem Bundesland mit 300.000 Einwohnern kennt – salopp ausgedrückt – jeder jeden. Die Commerzialbank war zudem ein großzügiger Sponsor (nicht nur des Fußballs) und genoss daher die Unterstützung vieler Politiker – egal welcher Couleur. Die politische Schlammschlacht läuft bereits.